Kommentar zu Kants Prolegomena

Nach Meiner-Ausgabe 2001

Lukas Nagel

7.-13. November 2016

zur Vorrede

Hier stellt Kant nur seinen Plan vor, die apriorischen Prinzipien der Vernunft zu ergründen. Wie er solches zu tun gedenkt, ist noch überhaupt nicht dargelegt, und da außer dem polemischen Ton (den ich im übrigen gegen den Begriff des gesunden Menschenverstandes nur teilen kann) ich keine wirklichen Behauptungen sehe denn die Wiederholung der Einsichten Humes (die als solche sicher richtig, aber noch keine Lösung sind), so gibt es hier keine eigentliche Materie des Kommentars. Das Projekt erscheint mir richtig, es ist dessen Umsetzung, die mich zweifelhaft werden lässt, und jene Umsetzung auch, die ich im weiteren beschauen möchte. So nehme ich denn Kants Herausforderung an: metaphysich zu denken soll ich wagen!

Vorerinnerung von dem Eigentümlichen aller metaphyischen Erkenntnis

zu §1 Von den Quellen der Metaphysik

Kant grenzt hier die Metaphysik von allen anderen Disziplinen ab, dass sie zunächst nicht empirisch ist, und damit weder mit der äußerlichen Physik noch mit innerlicher Psychologie zusammenfallen könne, und dass sie sich von der Mathematik dadurch unterscheide (sein Verweis geht auf den Anfang der Methodenlehre in der KrV A), dass sie nicht Begriffe konstruiere, sondern eine nichtempirische Anschauung zum Grunde aller Untersuchung nehme. Dies ist alles noch reichlich allgemein, und insofern auch nichtssagend. Denn dass Metaphysik nicht empirisch ist, ist aus ihrem Wesen als Begründung von Erfahrung ersichtlich; dass sie freilich auch nicht aus reinen Begriffen entspringen möge (wie es noch Platon oder Descartes dachte), ist nach der Humeschen Kritik nur allzu deutlich. Aber wie sie denn nun entstehen kann, ohne Erfahrung und nicht als rein begriffliche Wahrheit, ist eben jene Frage, die den Kern der Untersuchung bildet.

§2 Von der Erkenntnisart, die allein metaphsisch heißen kann
zu a) Von dem Unterschiede synthetischer und analytischer Urteile überhaupt / b) Das gemeinschaftliche Prinzip aller anlytischen Urteile ist der Satz des Widerspruchs

An der Unterteilung von analytisch und synthetisch habe ich gar nichts auszusetzen, als sie an sich definitorisch ist und als solche wahr. Auch ist es schon wahr, dass analytische Urteile immer a priori sind; es sind aber die Beispiele schlecht gewählt. Denn das Gold gelb ist, ist zwar auf gewisse Art schon im Begriffe des Goldes enthalten, aber das nur im subjektiven Begriff, der die Erfahrung der Gelbheit des Goldes bereits gemacht hat; würde man Gold allein durch seine chemischen Qualitäten bestimmen (insofern es ja als Element mit der Ordnungszahl 79 vollständig bestimmt ist), wäre nicht direkt einsichtig, warum es gelb sein müsste; dies lässt sich also sodann ebenfalls als Erfahrungsurteil auffassen und ist mithin nicht analytisch. Zudem ist Gold hier im eigentlichen Sinne kein definierter Begriff, sondern selbst ein Name, dem dann in subjektiver Bedeutung ein Gegenstand meiner Vorstellung zugeordnet wurde, von dem vorausgesetzt wird, dass sie im Kopfe des Hörers gleichfalls vorhanden sein müsste; da das aber mitnichten der Fall sein muss, kann in allgemeiner Form selbst bei Verständnis, ja eigentlich gerade dann, wenn es verstanden wird, nur von einem synthetischen Urteile gesprochen werden, indem das Verstandensein des Urteils selbst Aufschluss über die Struktur des anderen Denkens liefert. All das soll nur sagen, dass ich nicht glaube, dass man über empirische Begriffe analytische Urteile je wird machen können, die über eine rein subjektive Erklärung von Begriffen derart hinausgeht, dass gesagt wird, ein durch eine bestimmte Erfahrung mitgeprägter Begriff enthalte eben jene Erfahrung (d.h. die Erläuterung liegt hier im Gegebensein des Gedankens im Selbst, die zu erläutern synthetisch, allein festzustellen aber analytisch ist, d.i. analytisch zu sich selbst und synthetisch dem Rest der Welt).

zu c) Synthetische Urteile bedürfen ein anderes Prinzip als den Satz des Widerspruchs

Ich kann Kant gewiss dabei zustimmen, dass Erfahrung immer synthetisch ist und ebenfalls darin, dass Metaphysik auf synthetische Urteile a priori geht; aber mit der Mathematik bin ich mir doch etwas unsicher. Es ist zwar gewiss so, dass geometrische Sätze auch synthetisch gewonnen werden können, aber mir scheint das eher eine Erkenntnis über meine Anschauungsart zu sein (dass sie nämlich derart ist, wie man sie formalisiere), und nicht über die mathematische Methode. Denn die mathematischen Sätze selbst werden ja bewiesen, und ich tue mich schwer damit, Beweise als etwas anderes als analytische Urteile a priori zu bezeichnen. So Kant aber damit nur meint, dass den Axiomen und Definitionen synthetische Qualität zukommt, und die übrigen mathematischen Sätze ihre Synthetizität nur im Abglanz derer erhalten, so kann ich hier wohl mit ihm mitgehen, denn Axiome erscheinen mir auch untrüglich synthetisch.

zu §3 Anmerkung zur allgemeinen Einteilung der Urteile in analytische und synthetische

Diese Anmerkung ist rein historisch (und wohl vor allem an seinen früheren Lehrer Baumgarten gerichtet), so dass ich sie hier übergehe, wenngleich es sicher immer richtig ist, neue Unterscheidungen im alten Denken zu suchen, um neue, vorher unbekannte Gemeinsamkeiten zu erspähen.

zur allgemeinen Frage: Ist überall Metaphysik möglich? (§4)

Hier erklärt Kant sein Projekt, aus der gegebenen apriorischen Erkenntnis der Mathematik und Physik die Wirklichkeit zu demonstrieren, die die Möglichkeit einer Metaphysik überhaupt beweisen solle, als sonst nur analytische Aussagen angeführt werden, wird von Metaphysik gesprochen. Dieser Anspruch ist auch richtig, fraglich ist eben seine Umsetzung (und die Sicherheit der Erkenntnisse, die er zu Grunde legt, im besonderen die der newtonischen Physik).

zur allgemeinen Frage: Wie ist Erkenntnis aus reiner Vernunft möglich? (§5)

Hier wird dieses Projekt nun so umformuliert, dass aus den Bedingungen der Möglichkeit von Mathematik und reiner Naturwissenschaft die Bedingungen von apriorischer Wissenschaft überhaupt betrachtet werden sollen. So dies eigentlich dasselbe Projekt ist wie im vorherigen Absatz, ist hierzu nichts weiteres zu bemerken.

Der transzendentalen Hauptfrage erster Teil: Wie ist reine Mathematik möglich?

zu §6 / §7

Mathematik erfordert gewiss Erkenntnisgründe a priori. (Solche findet man in der Logik und in den Axiomen.)
Das das Prinzip aller Mathematik etwas Anschauliches ist, trifft sicherlich auf die Geometrie zu, und auf gewisse Weise noch auf Axiome anderer Theorien (wie der schon abstrakteren Maßtheorie oder dem Vektorenkalkül), aber auf die gesamte Mathematik bezogen ist das sicherlich falsch; so die Disziplinen, die sich besonders von der Anschauung entfernten (hier absonderlich Mengenlehre und moderne Algebra) sich aber erst lange nach Kant formierten, und es Kant ja auch allein um die Existenz eines apriorischen Anschauungsvormögens geht, dass sich in der Geometrie hat darstellen können, so kann ich Kant diese Abweichung sowohl verzeihen als auch als unerheblich erkennen.

zu §8 / §9

Dass Gegenstände nur dann angeschaut werden können, wenn sie vorhanden sind, ist wohl richtig; es ist aber fraglich, ob damit auch die Möglichkeit von Erkenntnis a priori ausgeschlossen ist. Denn empirisch ist eine Anschauung ja dann, wenn sie auf empirische Gegenstände bezogen ist, und insofern ist an empirischen Gegenständen wirklich auch nur ihre Form der Anschauung in der Sinnlichkeit a priori erkennbar; an Gegenständen a priori aber wäre durchaus sinnliche Erkenntnis a priori möglich, insofern das Vorkommen dieser Sache selbst a priori ersichtlich ist und somit keine empirische Hypothese darstellt. Die Frage aber, worin Anschauung a priori besteht, ist ja gerade die Frage, welche Dinge man a priori erkennen kann, und insofern Erkennen auch immer ein Erkennen der Existenz ist, damit auch die Frage danach, was wir a priori als existent annehmen müssen. Somit ist die eigentliche Frage hier nicht beantwortet, sondern hier nur erklärt, dass die Form der Anschauung empirischer Dinge selbst a priori ist (was aus der Natur der Sache folgt, als sie erst Erfahrung möglich macht), aber nicht allgemein gezeigt wird, dass dies die einzige Form apriorischer Anschauung ist, d.i. transzedentale Erkenntnis ist als apriorisch, aber nicht alle Erkenntnis a priori als transzendental erwiesen.

zu §10

Hier liegt nun folgender Schluss vor: Aus der Existenz apriorischer Synthesen aus Erscheinungsformen folgt die Erscheinung in eben diesen Formen; dies ist aber nur dann richtig, wenn die genannte Erscheinungsform zu aller Anschauung tatsächlich als notwendig zu gelten hat (und nicht nur für in diesen Formen stattfindenden Erscheinungen); im Falle der Zeit hat es Kant auch recht begründet, da zum Anschauen einer Sacher an sich (durch welchen Sinn es auch geschehen möge) ja ein Denkprozess vorhanden sein muss, der selbst zeitlich ist, im Falle des Raumes aber ist das nicht so eindeutig. Denn einzig visuelle Eindrücke beziehen sich auf einen geometrisch strukturierten Raum; wie soll ich Geräusche oder Geschmäcker denn geometrisch beschreiben? Und gibt es nicht auch gleichfalls abstrakte Dinge, die ich zwar betrachten kann, aber eben nicht nur zeitlich, woraus dann, so diese Dinge auch noch a priori existieren (vgl. vorheriger Absatz), auch noch eine apriorische Anschauung gewonnen wäre, was dann zu nicht-räumlichen Erscheinungen führen würde. Deshalb schränke ich Kants Behauptung hier ein, dass zunächst die zeitliche Existenz tatsächlich a priori gilt, dass aber die räumliche nur für die mir gegebenen visuellen Erscheinungen ehrlich kann behauptet werden (die ja auch einen Großteil aller Erfahrungen ausmachen, aber eben von nur einem der menschlichen Sinne erzeugt ist). Desgleichen Behauptungen können aber auch rein nichtig sein, so Kant hier den Begriff der Anschauung und Erscheinung tatsächlich nur visuell verstände, wie es das Wort ja eigentlich nahelegt (und insofern Töne keine An-Schauungen sind). Dann aber ist es noch mehr zu beanstanden, dass Kant den Begriff der Erscheinung absolut gesetzt hat, als es dann noch drängender ist, nicht-visuelle Eindrücke auch nach Vermögen a priori zu beschreiben (um so etwa zu einer apriorischen Musiktheorie zu gelangen).

zu §11

Ich wil hier einen Punkt Kants noch besonders betonen, da er mir auch für meine Philosophie für äußerst wichtig erscheint: Ich weiß nur deshalb, dass meine visuelle Erscheinungen sich geometrisch verhalten, weil die Geometrie selbst aus meiner eigenen Vorstellung von Räumlichkeit gewonnen ist, die notwendige Bedingung aller visuellen Erscheinungen ist. Darin kann ich Kant nur zustimmen, wenngleich ich es problematisch finde, dass er hier den Unterschied zwischen eben meiner Intuition von Räumlichkeit und dem Raum an sich, d.i. als physikalische Theorie, nicht gezogen hat, der noch einmal verdeutlicht, dass diese Theorie des Transzendentalen eben keine Theorie der objektiven Wirklichkeit sondern eine Theorie des subjektiven Erkenntnisvermögens ist, und insofern über die Natur von Raum und Zeit außerhalb meiner Anschauungsformen nichts aussagt, deren Existenz mithin bestreitet und nur die beobachtbaren Eigenschaften der Erscheinung als etwas außerhalb meiner selbst ansetzt. Ich halte das besonders im Hinblick auf die moderne Physik für besonders bedeutend: die Relativitätstherie ist eben keine Theorie von Raum und Zeit, sondern von Entfernungen zwischen Objekten und dem Verhalten in Raum und Zeit; sie beschreiben aber überhaupt nicht unsere Intuitionen von Raum und Zeit, noch macht sie diese falsch, sondern beschreibt vielmehr in unseren Intuitionen ein andersartiges Verhalten (Wie sonst könnte man die berechneten Metriken wiederum in Raum und Zeit ausdrücken? Wie sonst könnte es kontravariante Umformungen geben?). Das einzig besondere ist hier, dass aus meiner eigenen Sicht die sinnlichen Anschauungsformen anderer Beobachter verzerrt werden, so wie auch meine Formen aus ihrer Sicht verzerrt erscheinen; das ändert aber nichts daran, dass die jeweils eigene Sicht immer als die klassisch-kantianische erscheint. Das einzig falsche an Kants Theorie ist die vorschnelle Gleichsetzung von meiner Anschauungsform mit der newtonischen Vorstellung vom absoluten Raum, weil ja die kantianische Theorie hier von keinem der Probleme der newtonischen befallen ist, da sie die Relativität in ihrem Bezug auf das Subjekt schon implizit enthält, während die newtonische Theorie ja gerade die absolute Existenz von Raum und Zeit vorhersagt. Kant hatte auf diese Art der newtonischen Theorie eine inhaltliche Stärke voraus, verstand seine Einsicht aber falschermaßen als Ersatz von Newtons Theorie, wodurch hier erneut ein Anspruch auf falsche Objektivität einziehen konnte (wie sie sich ja im Neukantianismus deutlich darstellt), während sie eigentlich eine Beschreibung einer völlig anderen Tatsache ist, eben von Räumlichkeit im gedanklichen Verständnis, nicht im objektiven Dasein.

zu §12 / §13

Insofern sich alle derartigen Ausführungen allein auf die Geometrie beziehen, kann ich ihr sicherlich zustimmen; zwar ist der Begriff der Unendlichkeit auch anders erklärbar (wie es in der Mengenlehre dargelegt wird), aber die anschauliche Unendlichkeit des Raumes ist ja eine andere als etwa die abzählbare oder überabzählbare der Zahlen; insofern also kann ich ihm recht geben, und das noch mehr, wo es um die Bezeichnungen links und rechts geht, als alle bekannten mathematischen Sätze ja vom Vorzeichen der Koordinaten in der Tat überhaupt nicht abhängen, sondern es hier allein anschauliche Wilkür ist, die positiven Koordinaten die rechte und negativen die linke Richtung zuweisen (entsprechend auch links- und rechtsdrehend, das geht auf das Vorzeichen von Kurvenparametern).

zur Anmerkung I

Das Problem der Idee, alles äußere als räumlich zu nehmen, liegt in der oben schon erklärten falschen Universalität des visuellen Sinnes; und sofern seine Beschreibungen nur das visuelle treffen, so kann ich ihm nur recht geben. Falsch finde ich aber, dass er äußere Erkenntnis gemäß anderen Sinnen (und d.h. nicht gemäß dem Raume, wenngleich gemäß der Zeit) völlig unterschlägt, ebenso wie er auch alle Untersuchungen zur objektiven Realität des Raumes als falsch abtut. Natürlich wäre es Unsinn, nach den Partikeln unserer Intuition der Räumlichkeit im Raume zu suchen, aber nach Partikeln der objektiven Realisation derselben zu suchen ist doch sicher nicht vergebens. Hier schlägt sich wiederum die Nichtziehung vom Unterschiede subjektiver und objektiver Realität deutlich nieder: Als die subjektive Realität der Anschauungsform des Raumes vom ihm richtig als apriorische Wahrheit beschrieben wird, die objektive Realität derselben aber nicht einmal zugestanden ist. Ich halte das für grundweg falsch, und darin liegt wohl der einzige Punkt, wo ich Kants Metaphysik wahrlich ablehne: Unsere subjektiven Anschauungsformen sorgen nur dafür, dass unsere Anschauungen ihnen immer gemäß sind, nicht aber auch dafür, dass sie solche erklären; In räumlicher Anschauung mag sich zwar immer eine intuitive Räumlichkeit niederschlagen, neben der es aber noch eine gesonderte objektive Räumlichkeit gibt, zu der gemessen die Geometrie wahrlich Erdichtung ist, während zur Intuition gemessen sie apriorische Gewissheit darstellt. (Jene objektive Räumlichkeit zu bestimmen ist sodann eine physikalische und keine metaphysiche Aufgabe, insofern man hier alleine die Abweichung des Experimentes von der intuitiven Räumlichkeit darzulegen hat, wie es in der Relativitätstheorie sodann in größtem Umfange geschehen ist).

zur Anmerkung II

Ich kann Kants Trennung der Existenz einer Sache und ihrer Erscheinung im Gemüte im ganzen nur zustimmen; ich bin zwar von der objektiven Existenz der Dinge außer ihrer Erscheinung weniger vehement überzeugt als Kant, lasse diese aber als Hypothese gleichfalls gelten. Ich glaube nur eben, dass auch schon die Existenz der Erscheinung selbst einen genügenden Grund der Wirklichkeit einer Sache sei, insofern die reine Trennnung von innerer Erscheinung und äußerer Existenz wiederum nur auf den Begriff des Selbst wahrlich kann zurückgeführt werden, den ich im ganzen als widersprüchlich betrachte und somit für derlei Arbeiten als unfruchtbar. Insofern glaube ich nicht, dass der Satz, etwas ist außer mir, für mich irgendeinen Sinn haben könne, außer dem, dass auch in anderer Perspektivität die Möglichkeit besteht, ein selbes anzuschauen (aber eben nicht dasselbe, insofern objektive Existenz eben immer nur formal ist und nie material, denn alle materialen Eigenschaften gehören ja, wie es Kant recht sah, eben zur Erscheinung und nicht zum Ding an sich). Insofern bin ich gern bereit, die Möglichkeit eines Dinges an sich zuzugestehen, dies aber nicht als etwas außer mir (das als Selbst kein rechter Begriff ist), sondern als Möglichkeit der ander-perspektivischen Anschauungsmöglichkeit (also nur als Existenz, nicht als Essenz), aber auch dies nur hypothetisch, insofern es ja gerade das Missverständnis über Erscheinungen ist, das Erkenntnis ausmacht, und dies gleichfalls auch für andere Welten, insofern es hier also ebenfalls ein Außen gibt (d.i, dass im Traume die Traumwelt als äußere und die wirkliche Welt als innere erlebt wird, wie es sonst anders herum der Fall ist).

zur Anmerkung III

Ich kann hier Kants Abwehr von Berkeleys schwärmerischen Idealismus nur zustimmen, insofern daraus, dass uns nur Erscheinungen vorkommen, nicht folgt, dass außer ihnen nichts ist; aber ich verstehe nun überhaupt nicht, inwiefern der träumende Idealismus, der Gedanken selbst Wirklichkeit zuspricht, durch diese Ausführungen im Mindesten könnte beschädigt werden. Vielmehr sehe ich hierin eine glänzende Erklärung eben dieses träumenden Idealismus, dass also Erscheinungen selbst wirklich sind, indem sie unserer Denkform gemäß gedacht werden. Daraus folgt aber eben nicht, wie es Kant falsch sah, dass diese intuitive Existenz mit der objektiven einerlei sein müsste, sondern es gilt vielmehr, dass sie neben und vor dieser da sein muss, insofern zwar kausal das objektive vor dem subjektiven, aber epistemisch das subjektive doch gewiss vor dem objektiven dagewesen sein müsse (wie es schon Aristoteles erkannte, aber noch nicht die Begriffe hatte, es in Existenzarten auszudrücken, und sich so in seiner Abgrenzung von erster und zweiter Substanz verlor, die gleichwohl meiner Unterscheidung von intuitiver und objektiver Existenz in dieser Hinsicht doch nicht unähnlich ist). Ich bin also träumender Idealist im bezug auf das Subjektive, aber zugleich auch kritischer Idealist im bezug auf das Objektive, und deren Zusammenhang beider Thesen ist es vor allem, der mich also von Kants Alleinstellung der kritischen Denkart abgrenzen mag.

Der transzendentalen Hauptfrage zweiter Teil: Wie ist reine Naturwissenschaft möglich?

zu §14

Kants Idee lautet hier, dass man Naturgesetze von Dingen an sich weder a priori aus Begriffe konstruieren noch wirklich erfahren kann, da sich ja hier die Begriffe nach den Dingen richten (umgekehrt wäre es a priori erkennbar), und man aus Einzelausssagen keine notwendigen Gesetze herleiten kann. Ich gestehe dies gleichwohl zu, so sich das auf Einzeldinge der Erfahrung richtet, die also hinter den tatsächlichen Erscheinungen stehen müssen (als Dinge an sich), und somit auch nur in ihrer Existenz erkannt werden können. Aber ich halte das Argument hier für noch allzu schwach; denn Kants Behauptung, dass man ja wissen können, was und wie etwas sei, und nur die Notwendigkeit hier Probleme macht, geht doch fehl, wenn man sie auf die Dinge an sich bezieht; denn was ich an den Dingen sehe, und damit insbesondere das Wissen darum, wie etwas ist, ist doch gerade nur in einem Eindruck vorhanden, die meine Erscheinungswelt betrifft (im visuellen wie auch in allen anderen Sinnen), und eben nicht die Dinge an sich, sodass ich eigentlich hier nur wissen kann, dass die Dinge an sich existieren (denn sonst wüsste ich nicht, wie ich meine Erfahrung mit der anderer vergleichen könnte und auch nur behaupten könnte, wir seien in derselben Welt), aber eigentlich nicht wissen kann, was sie für Eigenschaften haben. Damit gilt dann natürlich umso mehr, dass Natur sich nicht auf die Dinge an sich sondern immer auf meine Erscheinungen bezieht und damit Notwendigkeit nur darin eingesehen werden kann.

zu §15

Kant benennt hier mit allgemeiner Naturwissenschaft die Erkenntnisse, die sich auf alle Gegenstände bezieht, auf solche der Gedanken wie der wirklichen Welt, und somit die Grundsätze von Physik und Psychologie gleichermaßen liefern muss. Die Beispiele, die Kant hier als Beweisgrund einer solchen Erkenntnis aufführt, scheinen mir aber nicht recht zu funktionieren

So ist etwa die Behauptung, dass jede Handlung durch Ursachen bestimmt ist, bei der Physik sicher einsichtig, aber bei der inneren Anschauung doch recht fraglich, weil ich ja bei mir selbst eben nicht weiß, warum ich dieses oder jenes denke; während es bei gewissen Eindrücken sicher so ist, dass sie auch objektive Ursachen haben (die dann etwa in den Sinnesorganen oder anderen Körperfunktionen zu suchen sind), so ist es bei vielen Gedanken, zumal den phantastischen, doch überhaupt nicht möglich, dergleichen anzugeben. Und darin eben glaube ich, dass Kausalität hier eben nur auf den äußeren Sinn rechtmäßig anzuwenden ist, dass es also ohne einen Sinneseindruck überhaupt keine Bedeutung hat zu sagen, das eine sei Ursache des anderen (insofern man sonst einfach beides vertauschen könnte); denn wenn nur ein reiner Zeiteindruck vorliegt (wie eben bei den phantastischen oder abstrakten Gedanken), dann kann man keine Ursachen, sondern höchstens Korrelationen angeben, insofern man überhaupt keine Möglichkeit hat, den einen Gedanken als Ursache vom anderen zu verstehen, weil man dazu eben mehr Eindrücke braucht als ein bloßes Korrelat. Zwar ist eine kausalistische Interpretation von Gedanken naheliegend, aber sie ist schlichtweg falsch, denn von innen gesehen kann man gar keine Gründe angeben (man würde ja gleichsam nach der Existenz des Gedankens überhaupt fragen, völlig unabhängig von der objektiven Welt, und somit auch nichts finden können), und von außen gesehen noch weniger irgend etwas finden, als man dort ja genau die Erklärungen, die sich gemeinhin bei kausalistischen Theorien anbieten, gerade nicht verwenden darf, da Gedanken (d.s. Überzeugungen, Wünsche, Absichten etc.) ja gerade nicht im Gehirn, sondern im Geist existieren, und somit kausalistisch gar nicht existieren. (Die äußere Welt und die innere sind beide in sich geschlossen; sie betreffen beide dieselben Dinge, die innere in der Form meiner Gedanken, die äußere in der Möglichkeit, in dieser Form noch Inhalt zu finden; das genau ist der Unterschied objektiver und subjektiver Existenz).

Die andere Behauptung Kants, dass die Substanz bleibt und beharrt, ist nun noch weitaus seltsamer. Mir erscheint es hier so, dass eigentlich hier der Begriff der Substanz als eben das definiert wird, was für sich steht und bleibt, und somit diese Aussage an sich analytisch ist und also in der reinen Naturwissenschaft überhaupt nichts zu suchen hat. Das wäre nun anders, wenn Kant den Begriff der Substanz hier anders verstanden haben möchte als eine für sich seiende Sache; da der Begriff aber in eben dieser Bedeutung von Aristoteles geprägt und in der Scholastik benutzt wurde, kann ich nur vermuten, dass er es eben so meint und mich über diese seltsame Tatsache wundern.

zu §16 / §17

Hier nun stellt Kant sein eigentliches Projekt einer apriorischen Naturwissenschaft vor: Alle eigentlichen apriorischen Naturgesetze sind die Bedingung davon, dass uns Gegenstände überhaupt erscheinen können. Eben weil sie dieser Bedingung entsprechen müssen, um Wahrnehmung zu sein, entsprechen also alle Erscheinungen ganz notwendig diesen Bedingungen, in der Art, wie sie mir erscheinen. Dieses Projekt an sich halte ich auch für richtig; ich halte aber hier erneut das gegebene Beispiel für falsch (wiewohl die Äquivalenz der Aussagen eine richtige ist). Denn es ist eben nicht so, dass vor jeder Erscheinung eine andere vorangeht, aus der sie notwendig folgt, sondern blos eine, aus der sie hervorgeht; die Notwendigkeit liegt erst nachher vor, insofern die Wirklichkeit des Folgenden die Folgerung selbst notwendig macht (schließlich ist aus jetziger Sicht die Vergangenheit eine, die nur in die Gegenwart führen kann, während sie früher ja gerade offen war). Ich gestehe wohl zu, dass in dieser Form die Kategorie der Kausalität als Untersuchungsinstrument der Vergangenheit notwendig ist, aber ich bin mir doch recht unsicher, ob der vorherige Gedanke, auf den wir den nächsten beziehen, eben so eine Notwendigkeit in sich trägt; denn die Notwendigkeit im nachhinein (d.i. kontingente Notwendigkeit) kann ich eben nicht als Notwendigkeit in der Ursache setzen, aber jene kontingente Notwendigkeit reicht doch völlig aus, um über Ereignisse sprechen zu können, sofern sie die Vergangenheit betreffen; schränkt man die Regel freilich auf Naturereignisse des äußeren Sinnes ein, dann ist diese Regel völlig richtig, da sich all diese Schwierigkeiten eigentlich nur in der reflexiven Zergliederung der Gedanken (und gerade nicht von physikalischen Ereignissen) jemals stellt oder auch nur wird stellen können, als unsere äußeren Kausalitätsgedanken wohl wirklich notwendig sind, um über die Welt urteilen zu können.

zu §18

Hier nun trifft Kant selbst die Unterscheidung, die meine vorherigen Probleme eigentlich auflöst. Denn er trennt jetzt die subjektiven Wahrnehmungsurteile von den objektiven Erfahrungsurteilen. Er erklärt nun, dass sich die allgemeinen Prinzipien der reinen Naturwissenschaft nur auf die objektiven Erfahrungsurteile werden beziehen können, da die subjektiven Wahrnehmungen eben auch völlig anderer Art sind. Das löst damit meine vorherigen Probleme mit seiner Konzeption von Kausalität; insofern nämlich einzig äußere Gegenstände überhaupt objektive Existenz beanspruchen können, kann man auch nur auf sie die Verstandesbegriffe eigentlich anwenden (womit Kant die Anwendung auf die Psychologie, die er in §15 noch hervorhebte, wieder zunichte macht).

Hier nun begeht aber Kant bei seiner Übertragung der apriorischen Bedingungen auf die Gegenstände aus meiner Sicht einen großen Fehler, der das eigentlich problematische am kantischen System ausmacht: Er sagt, dass wenn nach der Anschauungsart einer Sache ein Urteil, mit dem material meiner Wahrnehmung, als wahr zu sehen ist, es dann auch allgemein, oder objektiv gesehen wahr ist, da so ein Urteil eben mit dem Gegenstand der Wahrnehmung (d.i. die sinnliche Erscheinung) übereinstimmt und damit allgemeine Gültigkeit besitzt. Das ist auch sicher richtig, wenn den anderen dieselben Gegenstände gegeben wären! Sie haben sie aber nicht, sondern nur dieselben Namen und Wörter, die sie alle anderen Gegenständen zuordnen, indem sie alle auf verschiedenen Weise den Erscheinungen unserer Sinne Objekte unseres Denkens zuordnen; und sowenig man schon bei den Sinneswahrnehmungen annehmen kann, was denn anderen erscheinen möge (so denn das berühmte Paradox, ob zwei überhaupt je dieselbe Farbe sehen, oder nicht nur dasselbe Wort benutzen), so unwahrscheinlicher wird das dann bei den Wahrnehmungsstrukturen, die unseren Wahrnehmungsurteilen zugrunde liegen. Wie soll ich wissen, dass ein anderer auch nur dieselben Kategorien benutzt? Wie soll ich wissen, dass wenn ein Urteil zwar dem Gegenstand meines Denkens gemäß ist, es auch zugleich den Gegenständen der Gedankenwelten von allen anderen übereinstimmt? Ich kann ihnen doch nicht in den Kopf schauen, und somit wird das ganze zu einer völlig zwecklosen Unternehmung.

Ich kann also allein annehmen, dass

  1. kategorial getroffene Urteile innerhalb meines Denkens notwendige Gültigkeit a priori besitzen, da sie eben die Art beschreiben, wie ich die Welt nur sehen kann
  2. andere Personen auch kategoriale Urteile und daher notwendig gültige Wahrnehmungsurteile haben, da sie auch Erfahrungen machen
  3. solche Urteile, die den kategorialen Notwendigkeiten aller Personen notwendig entsprechen, also auch immer (subjektiv) wahr sein müssen.
Damit kann ich also nur noch sagen, dass die kategorialen Urteile, von denen die benutzten Wahrnehmungsbedingungen nicht nur faktische Notwendigkeiten meiner Gedankenwelt, sondern notwendig auch Bedingungen aller Gedankenwelten sind, auch allgemein innerhalb aller Gedankenwelten gelten. D.h: Wenn ein Urteil daraus allein wahr ist, dass man ohne dessen Wahrheit überhaupt nicht denken könnte, muss es auch jeder, der es denkt, für wahr eingestehen.

Er muss aber nicht eingesehen werden als objektive Wahrheit. Vielmehr ist es so, dass solche Sätze immer nur für alle Subjekte jeweils wahr, aber niemals objektiv ist. Wir haben es hier also nicht im eigentlichen Sinne mit Erfahrungsurteilen, sondern immer nur mit universellen Wahrnehmungsurteilen zu tun.

Zu Erfahrungsurteilen gelangt man also nur dann, wenn man sich auf die Existenz der Dinge außer einem bezieht. Diese Existenz ist aber, wie oben beschrieben, rein hypothetisch und unterliegt gerade keinen Wahrnehmungsbedingungen. Somit sind die einzigen wirklich objektiven Urteile entweder analytisch oder partikulär (also immer nur darin, auf eine Sache zu zeigen und ihren Namen zu nennen, konkrete Dinge zu beobachten etc., und nicht, darüber zu urteilen).

Allerdings können wir natürlich auf diese objektiven Urteile wiederum notwendig vorhandene Kategorien anwenden; daraus können wir dann Urteile bilden, die einen Gegenstand unserer Vorstellung mit nur diesen universellen Wahrnehmungsbedingungen beschreibt, und damit absoult allgemein und wahr bleiben. Aber diese Urteile sind eben nur für jeden jeweils wahr, und nicht untereinander, insofern ich diese Urteile überhaupt nicht mitteilen kann, sondern dem anderen eben nur Namen nennen und auf etwas zeigen, und ich ihm dann diese Art der Urteilsziehung vorführe, damit er, so hoffe ich, denselben Schritt auch in seinem Denken machen wird (was möglich ist, da ich ja diesen Schritt als eine Bedingung des Denkens überhaupt gesetzt habe, so dass der ander sie haben muss, gesetzt den Fall, der bedenkt sie überhaupt und macht mir das nicht blos vor). Aber jeder muss diesen Schritt eben für sich machen, von einem objektiven Urteil kann hier also keine Rede sein, zumal die Übertragung hier, da sie sich eben nicht durch zeigen rechtfertigen lässt, Missverständnisse erzeugt, die sich durch keine Erfahrung mehr werden auflösen lassen.

In Anbetracht dieser ganzen Schwierigkeiten gestehe ich Kant hier allein zu, dass er notwendige subjektive Urteile über objektiv existierende Objekte zieht, und nicht objektive Urteile überhaupt. Denn Erscheinungen existieren eben nur subjektiv, nicht objektiv, wenngleich sie subjektive Bedingung der Erkenntnis objektiver Existenz der Dinge an sich hinter den Erscheinungen sind, und als solche universell subjektiv, also in der Natur von Perspektivität überhaupt und nicht in einer bestimmten Ausprägung derselben begründet ist.

zu §19

Hier formuliert Kant noch einmal jenen Ausdruck, den ich oben abstritt, dass nämlich Allgemeingültigkeit und Objektivität dasselbe seien. Er schränkt das in der Fußnote auch noch etwas ab, indem er Geschmack oder Temperatur den subjektiven Gefühlen zuordnet, die keine objektive Gültigkeit haben können, während das die Verstandesbegriffe schon tun. Ich stimme ihm wohl dabei zu, dass ein blos universeller Eindruck noch keine universelle Notwendigkeit ist; aber eine von allen geteilte Bedingung der Wahrnehmbarkeit ist eben noch keine objektive, sondern nur eine universal subjektive Erkenntnis. Er gesteht das ja auch selbst zu, indem er sagt, solche Urteile könnten die Dinge an sich nicht bestimmen, sondern nur den (jeweiligen) Gegenstand unserer Wahrnehmung. Es scheint also mein oben dargelegter Dissenz rein terminologisch zu sein, insofern ich den Begriff der Objektivität allein mit den Dingen an sich, Kant ihn aber auch schon mit den universellen Bedingungen aller Erscheinungen verbindet.

zu §20

Hier erklärt Kant nun, dass man nur dann von empirischen Urteilen zu allgemeingültigen kommt, wenn man die Anschauungen unter allgemeine Begriffe stellt, die genau die Art beschreiben, wie wir über sie urteilen. Er sagt hier also, dass ein allgemenes Urteil, dass also notwendige Eigenschaften der (jeweiligen) Gegenstände der Anschauung beschreibt, dadurch hergestellt wird, dass man die Anschauungen, die man hat, unter eine solche Funktion stellt.

Es ist zwar sicher notwendig, dass man Urteilsformen hat, bevor man anfängt, zu urteilen, aber es sind doch hier mindestens zwei fragliche Punkte. Zum einen erscheint es mir seltsam, warum so ein reiner Verstandesbegriff zu einem Urteil erst hinzukommt; wenn er wirklich die Form des Urteils ausdrückt, ist er nicht auch schon im Wahrnehmungsurteil vorhanden? Wenn alles Urteilen nach Begriffen wie Ursache und Wirkung geschieht (was Kant ja vertritt, und ich in gewisser Form auch für wahr halte), wie kann ich dann überhaupt ohne Verstandesbegriffe denken? Wiese gibt es dann rein subjektive Urteile? Und warum sind solche Urteile (so sie dann ja kein Denken sind, sondern der Wahrnehmung näher stehen) von Sinneseindrücken überhaupt verschieden? Anders gesagt: Wie kann ich zwischen Wahrnehmungen äußerer Gegenstände und Intuitionen von nicht verstandesgemäßen Urteilen unterscheiden?

Zum anderen ist das alles noch kein wirklicher Weg zur Objektivität. Jene ließe sich ja ohnehin nicht erreichen, insofern wir uns ja auf die jeweiligen Gegenstände beschränken mussten; aber selbst dabei klappt es nicht. Denn diese Urteilsformen sind ja nicht unbedingt universell, insofern ja der eine andere Urteilsformen haben könnte als der andere, und es somit hier insgesamt auf ein Missverständnis herauslaufen müsste.

Eine einzige andere Interpretation gäbe es aber doch, die dem ganzen Sinn verleiht: Wenn Kant hier mit den reinen Verstandesbegriffen und den Urteilsformen eben nur solche meint, die notwendig transzendental sind (also Grundlage der Erfahrung von allen), dann könnte er den Unterschied hier durchaus ziehen, und die subjektiven Wahrnehmungsurteile sind dann weiterhin Urteile nach den jeweiligen Kategorien, aber nur die Urteile, deren Kategorien auch denknotwendig sind, können objektiv sein und heißen deshalb Erfahrungsurteile, d.i. sie sind von allen notwendig beurteilbar, insofern sie selbst mit den Begriffen gebaut wurden, ohne die niemand denken könnte.

Sollte Kant das gemeint haben, dann mag ich ihm wohl zustimmen, sonst aber nicht; aber in diesem Fall hat er noch gewaltige Arbeit vor sich. Er muss nämlich beweisen, dass diese Verstandesbegriffe (wie Kausalität oder Größe) notwendig dafür sind, irgendwelche Urteile aus Erfahrung zu treffen, und nicht einfach nur die Urteilsformen, in denen ich zufällig denke. Denn das ist kein strenger Beweis, zumal wir uns ja auch über die Begriffe der Urteilsformen missverstehen würden (und damit vielleicht gleichviele, aber gleichfalls verschiedene Urteilesformen haben). Diese Beweise ist Kant uns also schuldig, wenn er dieses Versprechen auf Allgemeingültigkeit zu Erfahrungsgegenständen erfüllen möchte.

zu §21

Hier steht nun allein Kants Tafel, ohne jeden Beweis. Dazu fehlen also alle Beweise; es sind hierzu also mindestens 4 nötig:

  1. Ist der Begriff der Zahl (Eines, Vieles, Alles) zum Denken überhaupt notwendig?
  2. Ist der Begriff der Wahrheit (Bejahung/Verneinung/Einschränkung(=negative Prädikation)) zum Denken überhaupt notwendig?
  3. Sind die Begriffe Substanz/Akzidenz, Ursache (also Kausalität) und Gemeinschaft (= Zusammenhang, Umgebung) zum Denken überhaupt notwendig?
  4. Sind die Begriff Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit zum Denken überhaupt notwendig?

Zwar erscheinen mir alle diese Begriffe so allgemein, dass sich wirklich behaupten ließe, ohne solche könnte man nicht denken, aber das muss eben bewiesen werden.
Die letzte Tafel, die physiologische, ist hier noch völlig undeutlich, weswegen ich sie hier auch noch nicht bespreche.

zu §21 [a] / §22

Kant betont hier zunächst, dass alle Verstandesbegriffe sich nur um die Geltung, nicht aber um die Genese der Urteile zu kümmern haben, dem ich nur zustimmen kann.
Er versucht nun die Erfahrungsurteile zu beschreiben, und hier erschließt sich mir nun überhaupt nicht, wie das zu seinem vorherigem Ziel passt. Er spricht nun nämlich nicht mehr von Urteilen, deren Urteilskategorien notwendig gegeben sind (was ebenfalls noch zu beweisen wäre), sondern behauptet kühn, dass der Inhalt von Erfahrung vielmehr in notwendig wahren Aussagen besteht. Er nennt hier das Beispiel der Erwärmung eines Steines durch die Sonne, wo er sagt, dass durch die Bezeichnung der Sonne als Ursache die Erfahrung, dass die Sonne den Stein erwärmt, notwendig wird.

Es drängen sich hier zwei Interpretationen auf, von denen ich nur eine annehmen kann: Zunächst folgender Ausdruck: Wenn es so ist, dass ich mit der Erscheinung der Sonne auch immer die Erwärmung erkenne, und ich nun die Sonne als Ursache bezeichne, dann ist das Urteil „Die Sonne erwärmt den Stein“ notwendig richtig, solange man sich eben nur auf solche Situationen bezieht, wo beide Erscheinungen warhgenommen werden. D.h. der Eindruck ist nicht notwendig, noch ist die Aussage notwendig wahr, allein die Verbindung der Eindrücke in der Kategorie der Kausalität ist notwendig, da man ansonsten gar nicht recht über das Ereignis sprechen könnte.

Die zweite Interpretation ist: Durch die gleichzeitige Erscheinung von Sonne und Stein erkenne ich einen Zusammenhang, den ich mit der Kategorie der Kausalität beschreiben kann. Eben weil ich eine Aussage mit einem Verstandesbegriff beschreibe, ist sie notwendig wahr, weil Erfahrungsurteile immer notwendig wahr sind und die Benutzung von Kategorien einfache Beobachtungen eben zu Erfahrungsurteilen machen. Also ist nach dem Eindruck nicht nur die Verbindung von Eindruck und Benutzung der Kategorie notwendig, vielmehr ist es im nachhinein so, dass durch die Verwendung der Kategorie allein die Aussage schon wahr wird.

Ich halte die Aussage der zweiten Interpretation für völlig falsch, eben da man aus einzelnen Eindrücken keine allgemeinen Prinzipien herleiten kann und mir auch nicht einleuchtet, wie sich das durch die bloße Beschreibbarkeit in notwendig gegebenen Denkkategorien ändern soll. Dagegen kann ich der Aussage der ersten Interpretation zustimmen, wenn gezeigt ist, dass die Denkkategorien immer notwendig sind. Denn wenn sie notwendige Momente alles Denkens sind, dann erzeugt man hiermit also Schemata, die auf alle Gedanken immer zutreffen und somit als Schemata wahr sind; dadurch wird aber ihre Anwendung natürlich nicht wahr, man kann schließlich auch richtige logische Schemata auf falsche Prämissen anwenden. Damit wäre also, um im Beispiel zu bleiben, die Aussage „Die Sonne erwärmt den Stein“ keine auf den (jeweiligen) Gegenstand bezogene wahre Aussage, sondern es wäre vielmehr „Wenn ich Sonne und Wärme zugleich sehe, muss ich sie als Kausalverhältnis beschreiben“ oder „Ich denke mir die Sonne als Ursache der Wärme“, ohne dass sie tatsächlich Ursache sein muss, und ohne dass man die eigentliche Beobachtung als universell voraussetzen kann. (Damit ist also eigentlich nur gezeigt, dass man immer kausal, in Bezug auf Zahl oder Wahrheit etc. denkt, nicht aber, dass man bei irgend etwas damit recht behalten müsste).

zu §23

Hier betrachtet Kant nun die Grundsätze, die für ihn die reine Naturwissenschaft ausmachen. Dazu bezeichnet er zunächst die Bedingungen, unter denen man Vorstellungen zu einem Gedanken vereinigen kann, als Urteile (was seltsam ist, verstand er unter Urteilen doch vorher die Vereinigung selbst und nicht dessen Bedinungen); solche Bedingungen, die notwendigerweise jeder Vereinigung unterliegen, nennt er nun Grundsätze und behauptet, dass reine Naturwissenschaft eben eine Zusammenstellung aller Grunsätze ist, die dann natürlicherweise, eben weil sie Bedingunge aller nur möglichen Urteile sind, auch auf alle Urteile zutreffen müssen.

Nun behauptet er, dass die Grunsätze der Natur genau die Regeln sind, wann man reine Verstandesbegriffe benutzen soll. Also setzt er hier zweierlei voraus:

  1. Die vorher vorgestellten reinen Verstandesbegriffe sind
    1. universell existent (davon steht der Beweis immer noch aus!) und sind zudem
    2. vollständig (denn ansonsten gäbe es eben keine Systematik; das ist eine noch stärkere Behauptung, die noch deutlicher einen Beweis erfordert)
  2. Es gibt allgemeine Regeln, wann man welche Verstandesbegriffe einsetzen soll (da diese noch zu zeigen sind, steht hier ebenfalls ein Beweis aus).
    Hiervon sind aber jetzt nur Namen bekannt, nämlich:
    1. Zum Einsatz des Begriffs der Anzahl: Axiome der Anschauung
    2. Zum Einsatz des Begriffs der Wahrheit: Antizipationen der Wahrnehmung
    3. Zum Einsatz von Substanz, Kausalität oder Gemeinschaft: Analogien der Erfahrung
    4. Zum Einsatz der Begriffe möglich, wirklich und notwendig: Postulate des empirischen Denkens überhaupt

Er hat also hiermit mitnichten die Möglichkeit einer reinen Naturwissenschaft gezeigt, sondern nur einen Beweisgang skizziert, der noch allem Inhalt entbehrt. Ich kann mir zwar durchaus vorstellen, das man diese Behauptungen beweisen könnte, aber ohne einen solchen Beweis bleiben es eben reine Behauptungen, sodass hier noch nichts gezeigt, sondern nur vermutet wurde.

zu §24

Hier behauptet Kant nun, dass in den Erscheinungen zweierlei vorhanden sei: Zum einen die Form von Raum und Zeit, womit man Geometrie und Arithmetik und somit den Begriff der Anzahl auf alle Erscheinungen anwenden kann, sowie eine Art Intensität, die sich nicht aus Anschauung reduzieren lässt, weil sie eben den Unterschied zwischen dem leeren Raum und der Empfindung bezeichnet, die man in Art der Anschauung nicht finden kann, sondern nur im Inhalt der Empfindung.

Hiermit hat er zunächst, sofern denn die Anschauungsformen Raum und Zeit vorausgesetzt werden, bewiesen, dass damit auch Größe und Wirklichkeit besteht, insofern die Größe gerade die Form der Erscheinung bezeichnet, Wirklichkeit aber, dass etwas erscheint (also den Inhalt der Erscheinung, die Intensität). Wenn er die ersten beiden Kategorien so verstanden haben will, so ist dieser Beweis sicher einsichtig, wenn es auch seltsam ist, dass er den Beweis nicht bei den Kategorien, sondern bei den Grundsätzen angibt.

Denn zu den Grunsätzen selbst hat er hier rein gar nichts gesagt. Er sagt ja nur, dass man die Mathematik so in zweifacher Form auf die Erscheinungen anwenden kann, aber spricht überhaupt nicht darüber, wann man damit zu einem richtigen Urteil kommt. Das aber sollen die Grundsätze ja gerade leisten, so dass sie hier eigentlich nicht erläutert wurden, sondern nur ihre Möglichkeit a priori in Ansehung des Existenzbeweises der jeweiligen Kategorien. (So man hier noch auf die Kritik selbst vertröstet wird, so hoffe ich doch, dort dann die genannten Beweise tatsächlich anzutreffen).

zu §25

Nun beschreibt Kant die anderen beiden Kategorien. Er sagt, dass man zwei Erscheinungen nur auf drei Arten miteinander verknüpfen kann: Wenn sie zugleich auftreten und dasselbe betreffen, muss man sie als Eigenschaften einer Substanz (dem Ding an sich hinter den Erscheinungen) annehmen, wenn sie hintereinander auf dasselbe zutreffen, die eine als Ursache des anderen annehmen, und wenn sie schließlich verschiedenes betreffen, man sie als Gemeinschaft verschiedener Dinge bezeichnen muss. Diese Urteilsformen bilden dann die Naturgesetze a priori.

Hiermit hat Kant tatsächlich seine Behauptungen im dritten Fall bewiesen. Die Begriffe Substanz, Kausalität und Gemeinschaft wurden hier ja auf Raum und Zeit zurückführt, also Substanz = gleichzeitig und an gleicher Stelle; Kausalität = nacheinander und an gleicher Stelle; Gemeinschaft = an verschiedener Stelle. Damit ist also gezeigt, dass man diese Begriffe haben muss, wenn man Raum und Zeit als Anschauungsformen besitzt, und durch diese Definitionen ist auch geklärt, wann man sie verwenden kann.

Danach erklärt er auf analoge Weise die vierte Kategorie. Hierbei ist also Möglichkeit = die reine Übereinstimmung mit der formalen Bedinungen der Erfahrung; Wirklichkeit = Übereinstimmung mit den Materialien der Sinne; Notwendigkeit = Übereinstimmung mit den Bedingungen der Erfahrung selbst (d.i. selbst transzendental).

Hierdurch sind also auch diese drei Begriffe in ihrer Existenz und Anwendung beweisen. Er bezeichnet die Beweise dieser zwei Kategorien als eigentliche (dynamische) Naturgesetze und als Methodenlehre. Es stehen aber immer noch die Beweise der ersten beiden Kategorien aus, und insbesondere fehlt ein Beweis der Vollständigkeit der Kategorientafel.

zu §26

Hier behauptet Kant, dass neben der Vollständigkeit (die überhaupt noch zu beweisen ist!) eine weitere Eigenschaft der Grundsätze entscheidender ist: Dass sie nämlich weder die Dinge selbst, noch ihre Erscheinungen, sondern nur ihre Verknüpfung in der Erfahrung betreffen. Er behauptet das hier für alle Grundsätze einzeln, so dass wir diese auch durchgehen müssen.

So stehen Erscheinungen selbst in Raum und Zeit und machen damit einen Teil von Raum und Zeit aus, und dieser Teil eben ist Größe. Hier also wird die geforderte Definition des Begriffs der Größe mitgeliefert; erst jetzt ist klar, warum alle Erscheinungen (in Bezug auf Raum und Zeit überhaupt) dem Begriff der Größe unterworfen sind, und darum werden also auch die Axiome der Anschauung implizit definiert als: Gebe den Erscheinungen genau den Begriff der Größe, den sie als Anschauung in Bezug zu Raum und Zeit überhaupt haben. Entsprechend behauptet er nun, dass die Intensität als Grad des Unterschiedes von Erscheinung zum Nichts betrachtet werden müsse, er gibt hier aber keinen wirklichen Grundsatz an, wie die Begriffe der Bejahung, Verneinung und Einschränkung nun auf Erscheinungen in ihrer Verbindung in Erfahrung zu werden seien, insofern ja hier nur vom Grade der Existenz gesprochen wird, nicht aber von seinem Ausdruck, wohingegen bei der Größe von einem Anteil an Raum und Zeit gesprochen wird, womit dann die Begriffe Einheit, Vielheit, Allheit im Raum als Punkt, Bereich und dem Raum selbst und in der Zeit als Zeitpunkt, Zeitstrecke und Zeit selbst vollkommen bestimmt sind; daher benötige ich hier noch eine bessere Bestimmung der Qualität, bevor ich sie überhaupt annehmen könnte, wohingegen die anderen 3 Kategorien vollkommen bestimmt sind. (Der Beweis der Vollständigkeit steht aber weiterhin aus).

Danach weist er noch einmal darauf hin, dass Begriffe wie Kausalität eine allgemeine Zeitbestimmung seien und eben keine empirischen Begriffe, da hier das Zeitverhältnis nacheinander bestimmt wird, und nicht aus der Beobachtung einer objektiven Kausalität ein Zeitverhältnis abgeleitet würde, weil man eben diesen Begriff der Kausalität bereits braucht, um solche Beobachtungen überhaupt treffen zu können.

Ich kann hier Kant in den meisten Dingen zustimmen, halte aber hier eben diese Bestimmung der Kausalität hier für höchst zweifelhaft, ebenso auch die Bestimmung von Substanz oder Gemeinschaft. Zwar ist es richtig, dass man, um Kausalität beobachten zu können, man nacheinander die Eindrücke desselben Phänomens sehen muss, aber ist diese Beobachtung zwangsläufig kausal? Ich stimme zwar Kant zu, dass Kausalität als Form in unserem Denken liegt, und dass wir geneigt sind, solche Zeitverhältnisse auch als kausal anzunehmen, aber objektiv könnten es doch eben auch Korrelationen sein! Ebenso müssen Wahrnehmungen, die uns auf dasselbe gerichtet scheinen, eben nicht auf dasselbe Ding an sich, sondern nur auf dieselbe Erscheinung kommen, und damit erscheint mir der Begriff der Substanz ebenfalls zweifelhaft, da eine Substanz ja eben das ist, was Erfahrung zuallererst ermöglicht, und nicht, was durch sie erst erzeugt wird. (Ebenso mag man auch den Begriff der Gemeinschaft kritisieren, da ja hier nun behauptet wird, verschiedene Zeiten seien eine kausale Abhängigkeit, verschiedene Orte aber nicht, was natürlich ganz dem newtonischen Weltbild entspricht, was nun aber leider falsch ist.)

Insgesamt mag man also meine Kritik so zusammenfassen: Ich denke, dass Kant hiermit das Erkenntnisvermögen des menschlichen Geistes recht gut erfasst hat, dass hinter allen Zeitfolgen eine Kausalität und hinter allen zugleich stattfindendne Wahrnehmungen eine Substanz zu sehen glaubt. Das aber als objektive Erkenntnis zu bezeichnen, erscheint mir recht zweifelhaft, vielmehr handelt es sich hier um Kandidaten von Aussagen, die man erst durch Prüfung vom Status einer subjektiven Wahrnehmung zu einer objektiven Erkenntnis erhaben kann, da eben nicht jede Abfolge kausal und nicht jedes Zusammentreffen substantiell ist. Zwar hat Kant durch die Definition der dritten Kategorie diese Wörter genau so definiert, dass sie allgemeinen, objektiven Urteilen fähig sind (nämlich eben nicht: A löst B aus, sondern: auf A folgt B), aber diese objektiven Urteile fassen ja gerade nur die Bedingungen auf, unter denen die subjektiven Kausalitätsvorstellungen entstehen können, nicht die, unter denen sie auch wahr sind (also mit den Dingen an sich übereinstimmen)! Kant hat sich hier einen Kausalitätsbegriff gebastelt, der genau seiner Metaphysik entspricht, aber dadurch eben auch alle subjektiven Kausalitätswahrnehmungen zu echten Kausalitäten erhebt. Er sagt hier also: Immer wenn ich denke, dass A B auslöst, dann ist objektiv die Bedingung dafür erfüllt, dass A auch B auslöst. Das aber ist offenbar Unsinn; man müsst vielmehr sagen: Ich sehe, dass nach A auch B folgt, daher vermute ich, dass A auch B auslöst, und diese Vermutung ist objektiv beurteilbar, eben weil es diese Zeitabfolge gibt. Die Beurteilung selbst kann ich aber gar nicht treffen, da mir eben nur die Erscheinungen und nicht die Dinge an sich vorkommen, so dass mir nur die Denkbarkeit der Kausalität, nicht aber ihre faktische Wahrheit, als beweisbare Gewissheit zurückbleibt.

Damit glaube ich, auch Kants letztem Punkt zu entsprechen, dass es sich hier eben nicht um Urteile aus Gewohnheit handelt, sondern um Urteile über die Form des Denkens überhaupt, durch die man absolut sicher sein kann, dass die Form der Kauslität hier denkbar ist, während ihre Richtigkeit doch nicht im mindesten bestätigt wurde.

Kants Wende liegt hier also darin, Kausalität nicht in den Dingen, sondern in unserem Eindruck zu suchen. Ich denke, dass das bei notwendigen Urteilen auch durchaus richtig ist, dass also die Aussage, aus A folgt immer B, so zu verstehen ist, dass nach dem Auftreten der Erscheinung von A immer auch die Erscheinung von B zu sehen ist, aber mir erscheint es seltsam zu behaupten, jetzt folgt aus A auch B, wenn man nicht die allgemeine Regel, dass aus A auch B folgen kann, gezeigt hat, oder diese zumindest nicht widerlegt wurde. Denn ansonsten würde ja alles aus allem folgen, was nur danach geschehe, und das ist sicher Unsinn; schränkt man dagegen seine Aussage auf eben diese möglichen Urteile „Aus A folgt immer B“ ein, und seien diese auch nur Hypothesen, habe ich hiermit kein größeres Problem, als ich mir doch sehr sicher bin, dass die Vorstellung einer Kausalität in den Dingen falsch ist, sondern man Kausalität nur in der Regelmäßigkeit der Erscheinungen finden kann (schließlich weiß ich nichts davon, was dahinter liegt).

zu §27 / §28

Hier nun stellt Kant seine eigentliche Forderung auf, die noch weit über das hinausgeht, was er bisher gesagt hat: Es sei nicht nur so, dass die Kategorien eine mögliche Erkenntnisart darstellen, sondern es ist vielmehr immer so, dass jede nur mögliche Erkenntnis immer in dem Kategorienschema stattfindet, dass also die Kategorien nicht nur notwendige und vollständige Grundbegriffe sind, sondern dass außer ihnen überhaupt keine Erfahrung sei und nur in ihnen man jemals zu irgend einer Erkenntnis man kommen möge.

Diesen Schluss halte ich für höchst bedenklich. Ich glaube zwar, dass man die hier dargelegten Verstandesbegriffe sehr wohl als universell existent beweisen kann (abgesehen von der zweiten Kategorie hat er die Beweise ja schon dargelegt, obzwar implizit) und dass man ebenfalls darlegen kann, warum, wenn sie universell existent sind (gesetzt die Existenz von Raum und Zeit), jede Verwendung von ihnen auf gewisse Art objektive Ergebnisse erzeugt (wenn man auch, wie ich oben angemerkt hat, das durchaus noch einschränken muss, um nicht jede Korrelation als Kausalerklärung gelten zu lassen); aber der Anspruch, dass dieses Kategoriensystem vollständig ist, dass es keine andere Art zu denken gibt, erscheint mir doch zumindest sehr gewagt, wenn nicht sogar fundamental falsch.

Denn es finden sich bei weitem nicht alle Begriffe wirklich in der Tafel. Wie etwa will Kant zwischen historischen, akutellen und zukünftigen Beobachtungen unterscheiden? Wie will er zwischen innerer und äußerer Anschauung in den Verstandesbegriffen unterscheiden (die er ja sonst so hervorhebt), wenn doch die Erkenntnis der Möglichkeit auch immer eine Wirklichkeit in der Vorstellung voraussetzt? Und wie will er, selbst wenn es diese Beispiele nicht gäbe oder er in der Lage wäre, sie aufzulösen, denn beweisen, dass alle genannten Kategorien voneinander unterschiedliche, widerspruchsfreie Begriffe sind, die ein vollständiges System des Denkens und Urteilens bilden?

Zwar stimme ich ihm zu, dass sein System viel geeigneter ist als all jene, die auf die Dinge an sich gehen und nicht auf unsere Erscheinungen, aber jene Unstimmigkeiten lassen mich doch an der Kraft seiner Lösung zweifeln. Denn auch wenn seine Elemente richtig sind, Vollständigkeit zu behaupten ist sehr viel schwerer, als blos eine wahre Theorie aufzustellen, weil man dabei alle nur denkbaren Gegenvorschläge im vorhinein bedenken und verwerfen muss - eine nahezu unmögliche Aufgabe. Trotzdem kann ich ihm aber zugestehen, dass er einen großen Fortschritt damit gemacht hat, Kausalität, Subsistenz u.Ä. als menschliche Denkkategorien einzusehen, die keinen Anspruch auf objektive Richtigkeit, sondern höchstens auf notwendige Verwendung innerhalb unserer Gedankengebäude haben.

Diese Erklärung von Kausalität kann dann nämlich auch damit umgehen, wenn unsere Intuitionen eben nicht funktionieren, wie es etwa in Quantentheorie passiert, wo ja alle bekannten Konzeptionen von Kausalität zusammenbrechen. Damit scheitert eine klassische Metaphysik (wie etwa die von Leibniz), die das Kausalitätsgesetz als Gesetz der Dinge an sich formuliert, während es nach den Kantischen Schemata weiterhin gilt, da wir ja auch die Ergebnisse der Quantenmechanik zunächst kausal deuten, bevor wir feststellen, das das zu falschen Ergebnissen führt, analog zur Situation der Verwechselung von Kausalität und Korrelation; hier sind wir also nicht am Rande der Wirklichkeit, sondern blos des menschlichen Verständnisses derselben.

zu §29 / §30

Ich kann hier Kant nur zustimmen, einzig der Übergang von empirischer Wahrnehmung zu einer notwendigen Erfahrung ist mir hier schleierhaft. Wie soll ich einsehen, dass ein Kausalverhältnis überhaupt und allgemein meinen Anschauungen innewohnt? Entweder es ist schon Teil meiner Denkformen, dann aber ist es überhaupt keine inhaltliche Erkenntnis, oder es ist nicht a priori, da es ja dann überhaupt nicht a priori sein kann (Wie ja Kant selbst sagt, dass alle Erkenntnis a priori solche von meinen Denkformen überhaupt ist). Ich verstehe daher nicht ganz, warum er den Übergang von „Wenn ein Körper von der Sonne beschienen wird, wird er warm“ zu „Die Sonne ist die Ursache der Wärme“ als einen Übergang vom empirischen ins notwendige deutet. Vielleicht aber deute ich diesen Satz auch zu bedeutend, und er heißt eigentlich nur, dass die Deutung der Sonne als Ursache im Urteil selbst (d.h. die Urteilsstruktur von einer Sache als Ursache der anderen) notwendig dafür ist, um die Beobachtung als bewertbare Hypothese auszustellen, die man dann zudem noch empirisch zu überprüfen hat. Dann könnte ich dem freilich zustimmen, aber der einfachen Deutung, wonach eben diese Intuition der Kausalität selbst objektiv ist, halte ich für unhaltbar.

zu §31 / §32 / §33

Ich kann hier Kant im meisten zustimmen, insofern der Naturalist wirklich irrt, wenn er sich seiner eigenen Prinzipien unklar wird, und wir von Dingen an sich wirklich nichts klares und deutliches wissen können. Zumindest trifft das auf alle Grundsätze der Ästhetik und auf empirische Begriffe wie Kausalität zu, da er aber hier auch nichts anderes ausdrückt, so vermag ich ihm garnicht widersprechen. Schließlich ist auch sein Begriff von Substanz vom logischen Begriff des Subjekts streng getrennt (insofern die Logik auch auf transzendentes geht), so dass alle Kategorien hier letztlich nur auf sinnliche Erfahrung gehen. Dadurch wird natürlich sein ausstehender Beweis der Vollsändigkeit desto mehr problematisch, weswegn ich ihm auch im Ganzen nicht folgen kann, wo er nämlich hier nicht nur die Grenzen der von ihm eingeführten Kategorien, sonder die Grenzen vom Denken überhaupt zu sehen glaubt, eben weil er denkt, dass er ein vollständiges System aller Gedankenmuster aufgestellt hat; da ich ihm das aber nicht glauben mag, bevor er es bewiesen hat, kann ich ihm hier nur soweit folgen, wie es der Beweis erlaubt, so dass man alle Einschränkungen der Möglichkeiten der Vernunft dann auch immer nur in Bezug auf diese Kategorien als bewiesen denken kann und somit auch nur dort gelten lassen sollte.

zu §34 / §35

Nun führt Kant noch aus, das all diese Untersuchungen eigentlich dafür da sind, den Verstand von Schwärmereien abzuhalten, in die er sonst verfällt, und durch die er sich in sinnlosen Begriffen einsperrt. Ich denke, dass er wohl recht damit hat, wenn er meint, es entstehen viele Fehler dadurch, das man Verstandesbegriffe außerhalb der Wahrnehmungen anwendet; aber mir erscheint das eigentlich nicht die Basis der dogmatischen Metaphysik zu sein, insofern in ihr ja gerade keine Verstandesbegriffe kantischer Art benutzt werden, sondern vielmehr versucht wird, über die Dinge an sich etwas auszusagen. Mir erscheint das zwar auch gewagt, aber ich halte das keineswegs für Schwärmerei, sondern für einen durchaus sinnvollen Versuch, durch logisches Denken und Beweisen sein Wissen eben auch über Erfahrung hinaus zu erweitern. Dass das in vielen Fällen gescheitert ist, wird hier ja offenbar, und im allgemeine halte ich es auch für falsch, einfach zu behaupten, man könnte etwas über die Dinge an sich wissen, da das eigentlich immer ein Zeichen dafür ist, dass man seine eigene Perspektivität in der Erfahrung nicht recht beachtet hat; aber das bedeutet doch auch nicht, das derlei Wissen gänzlich unmöglich ist, sondern höchstens, das man sehr vorsichtig dabei sein muss, zu behaupten, man hätte hier etwas erkannt. Daher finde ich auch Kants Ansatz, dies nicht nur einfach als Schwärmerei zu bezeichnen, sondern wirklich zu widerlegen, für äußerst richtig, da man so nun tatsächlich etwas über diese Dinge an sich erfährt (dass man sie nämlich zumindest nicht auf dieselbe Art beschreiben kann wie sinnliche Erscheinungen).

zu §36 - §39

Wie ist Natur selbst möglich?

Kant trägt hier noch einmal seine Theorie vor, diesmal in der These, dass Natur nichts ist als die Bedingung von möglicher Erfahrung. Insofern das alles schon vorher stand, habe ich hieran auch nichts weiteres zu kritisieren, was ich nicht schon vorher angemerkt habe, und in dem Satze, dass wir der Natur die Gesetze aufbinden, indem wir unsere Eindrücke im Denken anordnen, hat er wohl sicher recht, wenn ich auch seine konkrete Ausformulierung des Kategoriensystems in dem Maße einschränken muss, in dem ich es vorher schon vorgetragen habe.

zu §39

Kant wiederholt hier noch einmal seine Behauptung von Vollständigkeit, in reiner Polemik gegen Aristoteles (dessen System auch fraglos falsch ist), aber ohne eine wahrhafte Begründung der Vollständigkeit zu geben. Er sagt zwar, er hat dies aus den Momenten des Urteilens, und ich würde ihm ja auch die Vollständigkeit der Kategorien zugestehen, könnte er die der Urteilsmomente begründen, aber da er dieses so schlecht als jenes kann, so bin ich ihm im Punkte der Vollständigkeit auch nicht gewillt zu glauben.

Das einzig neue findet sich hier in der Fußnote, worin er einige Bestimmungen der Kategorien untereinander vornimmt. So sagt er, die Relation (also Substanz, Kausalität oder Gemeinschaft) seien die Verbindung aus Quantität und Qualität. Ich mag hier nicht recht einsehen, was genau er hierunter versteht, denn die Relationen hat er zwar als Gleichzeitigkeit oder Ungleichzeitigkeit in Bezug auf Raum und Zeit definiert, aber das ergibt sich nun doch nicht wirklich aus Quantität oder Qualität, außer man nimmt hier die Einheit als Gleichzeitigkeit (wozu er aber keinen Anhalt liefert).

Seine zweite Bemerkung leuchtet mir nicht recht ein; er sagt, dass beim Übergang von Einheit zu Allheit oder von Realität zu Negation (in Ordnung Realität, Limitation, Negation) auch ein Fortschritt geschieht, ohne dass dabei Korrelate auftreten, die bei Relation oder Modalität aber vorhanden seien. All das leuchtet mir nicht recht ein, da er hier weder sagt, was das für Korrelate sind, noch, inwiefern sie bei den ersten beiden Kategorien fehlen (was würde es heißen, wenn sie vorhanden wären?), und erst recht nicht, worin hier ein Fortschritt bestehe, wenn man von Etwas zu nichts übergeht.

Kants letzte Bemerkung, dass die Sonderstellung des Subjekts der der kategorischen Urteile entspricht, finde ich auch sehr seltsam. Schließlich bezieht sich der Begriff der Substanz bei ihm ja gerade auf solche kategorischen Urteile, die auf Objekte der Sinne gerichtet sind, sind also in seinem System insofern zentral, insofern sich alle anderen Urteilsarten nur in Bezug auf solche kategorischen Urteile, auf solche Substanzen (die nämlich sind Gegenstände der Wahrnehmung) überhaupt rechtfertigen können, dagegen in der reinen Logik es durchaus hypothetische Urteile gibt, die auf keine solchen kategorischen zurückgreifen müssen (etwa Existenzbehauptung, Relationsbehauptung etc.). Somit ist die Substanz noch deutlich zentraler als hypothetische Urteilein der reinen Logik, mit denen er sie hier vergleicht.

Der transzendentalen Hauptfrage dritter Teil: Wie ist Metaphysik überhaupt möglich?

zu §40

Hier trennt Kant erstmals die Metaphysik von allen anderen Disziplinen ab. Da sich Metaphysik nicht nur mit Naturbegriffen, die man mit Kategorien und Anschauungsformen beschreiben kann, auch immer mit transzendenten Begriffen zu tun, darunter alle Begriffe, die die Gesamtheit aller Erfahrung bezeichnen. Derartige Begriffe nennt er Ideen, und will sie also in allgemeiner Form beschreiben, damit man einsieht, dass sie keine Urteile über Dinge an sich, also objektive transzendente Urteile, sondern immer nur subjektive transzendente Urteile, über das Subjekt der Erfahrung selbst erlauben. Wie er das tun will, wird hier gleichfalls noch nicht deutlich.

zu §41/ §42

Hier wiederholt er erneut seine Trennung von Verstandes- und Vernunftbegriffen und betont, dass Vernunftbegriffe eben durch keine Erfahrung bestätigt oder widerlegt noch überhaupt gebildet oder erkannt werden können. Dies ist natürlich richtig, da er Vernunftbegriffe genau so definiert hat. Auch halte ich die Trennung von subjektiven und objektiven für sicherlich wichtig.

zu §43

Nun will Kant die Vernunftbegriffe eindeutig aufteilen. Er benutzt hier wiederum Urteile, da er auch hinter den Vernunftbegriffen transzendente Urteile sieht. Er glaubt, es gibt davon drei:

  1. kategorischer Schluss => vollständiges Subjekt, psychologische Idee
  2. hypothetischer Schluss => vollständige Reihe von Bedingungen, kosmologische Idee
  3. disjunktiver Schluss =>Bestimmung aller Begriffe darin, dass sie sich gegenseitig ausschließen und zusammen die ganze Möglichkeit ausmachen, theologische Idee
Dazu ergeben sich dann drei Dialektiken: Paralogismus, Antinomie und ihr Ideal. Dadurch sei alles abgedeckt.

Bei den ersten beiden Ideen ist mir zumindest der Übergang noch recht klar. Insofern das Subjekt die vollständige Substanz ausmacht, ist sie psychologisch, und die vollständige Kausalkette aller Ereignisse lässt sich sicher auch als Welt bezeichnen; aber bei der dritten Idee erscheint es mir doch sehr zweifelhaft. Wieso ist (ein) Gott schlichtweg die Sammlung aller Möglichkeiten?

Außerdem ist hier die Vollständigkeit wieder einmal nur behauptet, nicht bewiesen. Es ist zwar einsichtig, dass die drei Aussagearten voneinander verschieden sind und auch aus demselben Urteilsschema stammen, aber das bezeugt nur ihre gemeinsame Herkunft und Möglichkeit zur Einordnung, nicht aber die tatsächliche Richtigkeit dieser Einordnung und die Vollständigkeit derselben. Das also erscheint mir doch recht gewagt, und deshalb bin ich auch nicht gewillt, diesen Schritt anzuerkennen, solange Kant keinen besseren Beweis davon zeigen kann.

zu §44

Zunächst betont Kant hier noch einmal, dass die Vertsandes- und Vernunftbegriffe völlig unterschiedlichen seien, und dass die Verstandeserkenntnis die Erfahrung völlig erklären, sodass Vernunftbegriffe allein etwas bezeichnen können, was dem praktischen Nutzen der Erfahrung nichts hinzufügt und allein von theoretischem Interesse sind. Aber beide Begriffsarten müssen trotzdem zusammenpassen, was nur so funktioniere, dass man die Vernunfterkenntnis als nichts als die Erkenntnis der Vollständigkeit des Verstandes anzusehen habe, und alle Verstandesbegriffe oder Ideen somit Vergegenständlichungen der Vollständigkeit der Begründungen sind.

Ich glaube zwar, dass Kant hiermit durchaus zu Vernunftbegriffen kommt, und sie auch in der Art transzendent sind, wie er es beschreibt; es liegt aber allem ein fahler Anklang bei, so er die Vollständigkeit seiner Systeme bisher immer nur behauptet hat, und nie hat recht demonstrieren können. Somit kann ich das Ziel, die Vollständigkeit der Schlüsse selbst als Gedanke zu fassen und zu beschreiben, durchaus gutheißen, bin aber doch sehr skeptisch, mit diesen Begriffen den Vernunftgebrauch auszumessen oder gar erschöpfen zu können.

zu §45

Vorläufige Bemerkung zur Dialektik der reinen Vernunft

Kant beschreibt hier, dass die eigentliche Täuschung darin liegt, die ursprünglich nur zur Ermöglichung von Erfahrung gewonnen Verstandesbegriffe in ihrer Natur a priori auch auf Dinge an sich anwenden zu wollen, womit dann die Begriffe ihre Bedeutung verlieren; dies sei aber noch nicht der eigentliche Schein. Der eigentliche Schein bestehe darin, die Vollständigkeit der Erfahrung durch Rückgriff auf transzendente Ideen zu rechtfertigen, sie also zu transzendentalen Ideen zu machen.

Ich mag Kant hier nur insofern zustimmen, dass die Anwendung von Erfahrungsbegriffe auf Dinge a priori sicherlich zumindest fragwürdig ist; das heißt aber nicht, dass derlei Aussagen einfach sinnlos sind, sondern dass wir sie vielmehr mit einem rechten Sinn zu belegen haben (was ich eher als drängende Aufgabe, denn als unmögliches Paradoxon zu begreifen gewillt bin). Wo ich ihm aber ganz zustimmen mag, ist die Warnung davor, auf Dinge außerhalb unserer Erfahrung zu verweisen, um dieselbe zu rechtfertigen; solcherlei Versuche zeigen vielmehr, dass man selbst nicht mehr weiter weiß und eigentlich genauer betrachten muss, was Inhalt und Grenzen unserer Erfahrung sind, und nicht diese gleich zu überschreiten versuchen sollte. Auch stimme ich ihm zu, dass die Abweisung solcher Ansprüche eben Beweise erfordert, und so will ich denn sehen, ob er denn hier auch Beweise zu liefern gewillt ist.

zu §46

I. Psychologische Ideen (Kritik, S. 341 u. f.)

Kant behauptet hier, dass die Vorstellung vom Selbst, vom Subjekt, daher kommt, dass man ja jedes Subjekt eines Satzes auch zugleich als Prädikat eines anderen Satzes verwenden kann, worin dann eben das erläuterte selbst nur Eigenschaft ist, sodass man zu den letzten Subjekten selbst gar nicht weiter kommt, als blos die Beziehung des Subjekts überhaupt, das Substantielle, zu nehmen; ein solches gibt es aber nur im inneren Sinn, nämlich das Ich. Aber das Ich ist kein Begriff, sondern nur ein unbestimmter Bezugspunkt allen Denkens, sodass alle Erkenntnis seiner Natur immer nur scheinbar bleiben muss. (Es kann aber gleichwohl verwendet werden, um eine materialistische Seelentheorie abzuwenden).

Ich kann hier nicht recht sehen, woher Kant die Gleichheit von Substantiellem und Subjekt nehmen will; die einzige Gleichheit ist hier die Benennung als Subjekt, die zum einen als Satzposition, zum anderen als Bezeichnung des Selbst auftaucht, aber ansonsten sind diese Dinge doch eigentlich ganz unterschiedlich, eben da das, was man nicht als Prädikat verwenden kann, nicht notwendigerweise mit dem Selbst übereinstimmt, sondern vielmehr etwas ist, was nicht über etwas anderes ausgesagt werden kann, so dass man doch auch Namen oder Sinneseindrücke darunter zählen könnte (auch wenn die Zugehörigkeit zu ihnen wiederum ein Prädikat ist, aber es is6t eben ein Unterschied, vom Namen als Sache oder der Benennung als Prozess oder Eigenschaft zu reden).

In seiner Ablehnung der materialen Deutung des selbst kann ich ihm aber wohl zustimmen, denn solcherlei Versuche (gewöhnlicherweise als Identität oder Persönlichkeit bezeichnet) sind wirklich sehr gefährlich, als sie nicht nur ungerechtfertigte Erkenntnis als innerstes Wissen vorschützen, sondern umso mehr noch die Möglichkeiten von Erfahrung überhaupt einschränkten, insofern dort behauptet wird, dass das eine oder andere nicht zur eigenen Natur gehöre und damit für einen falsch sei, wenngleich solche Aussagen völlig unsinnig sind und man hier nur vom eigenen Verhalten sprechen kann, wozu es nicht passe, womit man also derlei Einschränkungen zumindest im reinen Denken selbst vollkommen zurückweise muss.

zu §47

Kant behauptet nun, dass man zwar das Selbst als Substanz bezeichnen kann, dass ihm aber trotzdem dann noch alle Eigenschaften der Substanz fehlen, eben weil die Eigenschaft, etwas zu sein, zu bleiben und nicht zu vergehen oder zu entstehen, Aussagen sind, die nur in Bezug auf die Kategorien, mithin auf Sinnlichkeit allein überhaupt irgendeine Bedeutung hat, womit das Selbst, welches ja völlig außer diesen Kategorien steht, diese Eigenschaften nicht erhalten kann. Man kann das nämlich nicht a priori beweisen, da man gar keinen Beweisgrund hat, womit sich alsdann die Frage erübrigt. Allein ihre Erscheinung hat für uns den Charakter der Substanz, aber über eine Erscheinung wurde hier ja überhaupt nicht gestritten.

Er hat hiermit durchaus recht, wenn ich es sogar noch deutlicher formulieren würde: Es ist nicht nur so, dass das Selbst keine Substanz ist, es ist sogar überhaupt nichts beharrliches oder festes, eben weil es, durch die reine Fähigkeit, innerhalb unserer Träume die Möglichkeiten unserer Phantasie zur Wirklichkeit werden zu lassen, jedes Prädikat auch erhalten muss (sofern man es überhaupt als Prädikat denken kann), denn dadurch erhält es zu jeder Eigenschaft auch ihr Gegenteil und ist damit bereits in sich ein widersprüchlicher Begriff, und insofern also kein beharrlicher.

zu §48

Kant erklärt nun, dass man als Erscheinung durchaus die Seele als Substanz sehen kann, das aber nur im Leben und nicht im Tode, eben weil man dort keine Erfahrung haben kann. Ich kann dem Argument in seiner negativen Hinsicht zustimmen, gestatte Kant aber nicht wirklich, über den Beweis der Beharrlichkeit der Seele im Leben hinwegzugehen, da ich glaube, wie ich es zum letzten Absatz deutlich zu machen versuchte, eben das Gegenteil zeigen zu können.

zu §49

Kant kommt nun zu seinem zentralen Argument. Er unterscheidet hier zwei Bedeutung von den Begriffen des Selbst und der äußeren Dinge:

Selbst heißt

  1. Die Erfahrung der Zeitlichkeit als innerer Sinn
  2. Ich bin, als Subjekt des Bewusstseins überhaupt (auch des Raumes und der Begriffe)

Körper heißt

  1. Die Erfahrung der Existenz im Raume als äußerem Sinn
  2. Die Existenz als Sache an sich, außerhalb dem Bewusstsein.

Kants Kritik an Descartes lautet, dass er diese beiden Bedeutungen verwechselt hat, und aus der Tatsache, dass die Erscheinungen in Raum und Zeit ohne mein Bewusstsein nicht da wären, die Behauptung gemacht hat, dass es keine Dinge an sich gibt, die von mir unterschiedlich sind. Eigentlich aber gibt es beides, und es verhält sich so, dass alle Erscheinungen, äußere und innere, nur in Bezug auf mich als Subjekt existieren, an sich aber niemals so, sondern immer nur außerhalb von Raum und Zeit, so dass man sie derart gar nicht erfahren kann.

In meinen Begriffen: Die Existenz der Erscheinungen der Dinge ist genauso wie die der Gedanken nur intuitiv möglich, und alle objektive Existenz, die sich hinter ihnen befinden möge, ist nicht in Anschauungsformen wie Raum und Zeit erklärbar, sondern nur in der Existenz einer formalen Korrespondenz, die zwar die Existenz überhaupt aufrecht erhält (und somit negiert, dass alles bloß in uns existiert), aber alle materialen Bestimmungen überhaupt allein den Intuitionen zuschreibt und in keinem der objektiv existierenden Sache überhaupt (die also solche nur hypothetische Bedingung dafür ist, Intuitionen zu erzeugen und einander zuzuordnen).

Diesen Grundsätzlichen Unterschied zwischen dem Kontrast von Intuition und Objektivität und von Denken und Welt halte ich für wichtig, eben weil ich den ersten für fundamental und den zweiten für weniger stark halte, und hier insbesondere die Träume als Existenzart überhaupt aurfrecht erhalten möchte, insofern sie zwar in dieser Welt nur subjektive, in anderer Welt aber objektive Bedeutung haben, und somit die Frage, was objektiv (oder an sich) existiere, wiederum an die mögliche und damit derzeit richtige Welt überhaupt gebunden ist.

zu §50

II. Kosmologische Ideen (Kritik, S. 405 u. f.)

Kant erklärt hier nur, dass er unter kosmologischen Ideen die reine Fortsetzung der Verstandesbegriffe ins Unendliche versteht, wenngleich er das Funktionieren solcher Ideen hier noch gar nicht darlegt, so dass zu ihnen auch gleichfalls nichts weiter zu sagen ist.

zu §51

Hier behauptet Kant nun, dass sich die Struktur der Kategorien auf die kosmologischen Ideen überträgt, so dass es zu jeder der vier Kategorien genau zwei sich widersprechende Prinzipien gibt, die aus der Vernunft selbst stammen:

  1. Zur Quantität:

    Satz: Die Welt ist begrenzt, hat also einen Anfang in Raum und Zeit

    Gegensatz: Die Welt ist räumlich und zeitlich unendlich

  2. Zur Qualität:

    Satz: Alles besteht aus einfachem

    Gegensatz: Alles ist zusammengesetzt

  3. Zur Relation:

    Satz: Es gibt Ursachen aus Freiheit

    Gegensatz: Alles ist Natur

  4. Zur Modalität:

    Satz: Es gibt ein notwendiges Wesen als Ursache der Welt

    Gegensatz Alles ist zufällig

Die erste und vierte Kategorie erscheinen mir hier richtig angewendet, was bei der zweiten und dritten aber schon fragwürdiger wird. Denn wieso hat es mit dem qualitativen Unterschied von Bejahung und Negation zu tun, ob etwas Teile besitzt oder nicht? Das scheint mir doch der Disjunktion viel näher zu sein als der Qualität. Umgekehrt ist dann die dritte Kategorie hier allein auf die Kausalität bezogen, und die anderen beiden Relationen fehlen völlig. Zwar ist zum Begriff der Substanz schon die psychologische Idee genannt worden (und die Disjunktion schon in der Absicht, die theologische Idee darauf zu beziehen), aber das lässt sich ja hier nicht wirklich einordnen; deshalb erscheint es hier viel eher so, dass Kant versuchte, die beiden Kategorien einander zuzuordnen, und das wohl die beste Wahl war, denn zwanglos ergibt sich so eine Tabelle nun nicht, wie es mir erscheint.

zu §52

Kant behauptet hier, beide Seiten besitzen gleichermaßen Beweise; als diese hier fehlen, ist hierzu sonst nichts zu sagen.

zu §52 b

Hier sagt er nun, dass durch diese sicheren Beweise dann folgt, dass die zugrundeliegenden Begriffe sinnleer sind, eben weil sie in sich widersprüchlich sein müssen, damit Satz und Gegensatz wahr bleiben können. Sofern seine Beweise stimmen, ist ihm hiermit sicherlich recht zu geben

zu §52 c

Er gibt nun die Beweise für die Unsinnigkeit der ersten beiden Antinomien (wenn auch nicht für These und Antithese, sondern hier für beides zugleich):

  1. Ich kann weder Raum noch Zeit als etwas unendliches oder begrenztes erfahren, weil diese Begriffe die Möglichkeiten meiner Erfahrung völlig übersteigen; Um also eines von beiden zu behaupten, müsste man sagen, sie hätten diese Eigenschaft auch außerhalb aller Erfahrung, was unmöglich ist, da Raum und Zeit ja gerade nur Formen möglicher Erfahrung sind (und keine Dinge an sich).
  2. Teile sind Elemente von Vorstellungen und damit Ergebnisse der gedanklichen Teilung. Würde man nun sagen, die Teile existierten an sich, so müsste man einen Gedanken vor seinem Gedacht-Sein denken, was unmöglich ist. Daher ist die Frage falsch gestellt.

Ich denke, dass der erste Beweis richtig ist, sofern er die subjektive Intuition von Raum und Zeit betrifft; er ist aber durchaus falsch, sofern er die objektive Raum- und Zeitbestimmung betrifft, da die Frage nach der Begrenztheit der objektiv bestimmbaren Welt durchaus nicht so einfach abzuhandeln ist; aber er hat sicherlich recht im bezug auf alle Versuche, die jeweilige räumliche Intuition (so etwa unsere euklidische Geometrie, d.i. unser Bezugssystem) so untersuchen zu wollen, dass man verstehe, ob die Welt im Ganzen begrenzt ist oder nicht. Das ist daraus allein nicht möglich; und insofern auch unsere Sprache, mit der wir auf Dinge zeigen, einen Bezug auf diese (jeweilige) intuitive Räumlichkeit besitzt, können wir diese Frage eigentlich auch nicht objektiv beantworten, insofern in der Objektivität überhaupt schon jene Frage vorhanden ist; aber die Frage ist doch gleichfalls noch vorhanden: Gibt es einen Rand der Welt? Gibt es für die objektiv bemessbaren Geometrie (durch relative Unterschiede der geometrischen Messungen, wie in der allgemeinen Relativitätstheorie dargetan) ein endliches Volumen?

Den zweiten Beweis dagegen halte ich für fundamental falsch. Nun konnte er zwar von den neueren Entdeckungen über die Grenzen menschlicher Messbarkeit nichts wissen, aber dadurch allein erscheint der Beweis doch etws seltsam: Wenn es Grenzen der Wahrnehmbarkeit gibt, wenn es Objekte gibt, die wir schlichtweg nicht weiter teilen können, wie kann dann die Frage ob der Einfachheit oder Zusammensetzbarkeit der Teile unsinnig sein?

Ich denke aber, die Antwort ist noch fundamentaler falsch. Denn es ist zwar richtig, dass Teile zunächst nur im Denken existieren, aber durch den Prozess der tatsächlichen Teilung wurden diese Teile ja auch Dinge an sich (denn sonst könnten sie ja keine verschiedenen Erscheinungen bilden); und dafür lässt sich also auch für Dinge an sich fragen: Wie oft lassen sie sich in weitere Dinge an sich zerlegen (unabhängig davon, ob man sie sich als einfach oder zusammengesetzt denken kann)? Denn jener Prozess hat doch vor seiner Wirklichkeit eine Möglichkeit, und die Existenz einer wiederholten Möglichkeit eines Prozesses, dass eine Sache an sich selbst (und nicht nur ihre Erscheinung) betrifft, ist doch sicher einer sinnvolle und schwierigere Frage. Damit also erscheint mir diese Antwort Kants völlig unbrauchbar, da sie nicht zwischen Teilen als Ergebnis der Teilung als Gedanke und Teilen als Ergebnis der Teilung als physikallischem Prozess trennt, und kann somit auf die grundlegende Frage keinerlei Antwort liefern, (Ebenso verhält es sich dann auch mit dem Unterschied vom als Ganzes erscheinenden und dem objektiv unteilbaren Objekt)

zu §53

Kant gibt nun auch Beweise für die Auflösung der anderen beiden Antinomien:

  1. Ursachen aus Freiheit und Naturnotwendigkeit widersprechen sich nicht. Vielmehr ist jede freie Handlung zugleich notwendig, da hier zwei Ursachen vorliegen: Eine logisch, d.i. die Vernunft, die die Regeln setzt, nach der wir handeln, und eine physikalische, d.i. unsere Maxime, die durch die Vernunft schon gesetzt wurde und unserem Handeln vorhergeht. Unsere Maximen und Gedanken sind zwar in unserer Erscheinung durch Naturnotwendigkeit festgelegt, ebenso wie wir selbst als Erscheinung; aber als Dinge an sich können wir eben einen neuen Anfang setzen, weil wir als solche außerhalb von Raum und Zeit stehen. Wir schreiben der Natur eben die Naturnotwendigkeit vor, die unserem freien Willen entspricht; da wir uns als Dinge an sich auch nicht in Zeitverhältnisse setzen können, bleibt dabei alles logisch, wir haben in allen Handlungen eben nur zwei verschiedene Arten von Ursachen
  2. Auch hier sind beide Sätze verbindbar, indem man den Erscheinungen selbst Zufälligkeit, der Welt als Ganzer aber eine notwendige Ursache zuzusprechen hat.

Ich weiß nicht recht, was ich von der Auflösung der dritten Antinomie halten soll. Zwar hat Kant sicher recht, wenn er davon spricht, dass wir als Dinge an sich durchaus frei sind, solange wir uns unabhängig von Raum und Zeit als Dinge an sich denken; aber das hat doch auch etwas seltsames. Denn ich empfinde doch nicht nur eine allgemeine Freiheit, Naturgesetze meines Willens zu setzen, sondern vielmehr, jetzt, zu diesem Zeitpunkt, frei zu handeln, und eben nicht rückwirkend die Vergangenheit ändern zu können oder vorgreifend die Zukunft, so dass hier die Zeitunabhängigkeit zum echten Problem wird; wie soll ich das damit vereinigen? Damit wird also aus meiner Sicht das Problem nicht gelöst, es wird nur darauf hingewiesen, dass es eine Möglichkeit zu nicht-immanenter Kausalität gibt, nicht aber, dass diese mit freiem Willen identisch sei. Zur Auflösung der vierten Antinomie habe ich indessen nichts weiter zu sagen, als sie hier nur kurz referiert wird und noch nicht recht deutlich wird, was sie eigentlich aussagen soll, und mir daher in dieser verkürzten Form ähnlich wenig überzeugend wie die der dritten erscheint.

zu §54

Hier betont Kant, dass durch mehrmaliges Vornehmen der Begriffe in der Deduktion die Auflösung der Antinomien glaubhafter wird darstellen können, was ich doch sehr bezweifle; vielmehr sollen es doch die vollständigen Beweise sein, die deutlicheren Aufschluss geben können, sodass eine gründlichere Lektüre der Kritik doch besser sein würde, als bloß diesen Überblick noch einmal durchzugehen

zu §55

III. Theologische Idee (Kritik, S. 571 u. f.)

Hier sagt Kant nur, dass der Begriff des Gottes so weit von Erfahrung entfernt ist, dass der dialektische Schein (d.i. die Verwechselung von Erkenntnissen über Erscheinungen oder über Dinge an sich bzw. von Verstandes- und Vernunftbegriffen) hier gar nicht vorkommen kann, so dass er hier nur auf die Kritik verweist. Hierzu ist demnach auch nichts weiter zu sagen

zu §56

Allgemeine Anmerkungen zu den transzendentalen Ideen

Kant betont hier im Schluss, dass alle transzendenten Ideen nur in transzendentaler Benutzung überhaupt richtig sind, dass sie also nur darin sinnvolle Bedeutung erlangen, dass man in ihnen allein die Grenze unserer Erfahrung erkennt, und nicht ein neues Objekt der Erfahrung. Ich kann dem wohl insofern zustimmen, dass wir uns in der Philosophie hüten sollten, zu glauben, etwas neues entdeckt zu haben, als es meistens blos eine Beschreibung der bisherigen Erfahrung ist, die zwar wohl einschränken kann, was Sinn hat und was nicht, aber nichts wirklich neues in der Welt zu erzeugen vermag. Auch glaube ich, dass die Erfahrung uns sicher viel größere Rätsel stellt als das, was über alle Erfahrung hinausgeht (und durch reine Logik zu lösen ist); aber ich glaube, dass man eben nicht einfach alle Kategorien der Erfahrung angeben kann, so wie Kant es versuchte, ohne das wahrlich zu beweisen, und dadurch sehe ich mich genötigt, zunächst doch andere Ideen zumindest gelten zu lassen, und insofern tatsächlich konstitutive Ideen zuzulassen, aber nicht als etwas, was über Erfahrung hinausgeht, sondern als andere Form der Erfahrung, und somit wirklich nicht als transzedente Ideen, sondern als neue transzendentale Momente.

Beschluß

Von der Grenzbestimmung der reinen Vernunft

zu §57

Kant wiederholt hier zunächst noch einmal seine Einsicht, dass alle unsere Erkenntnis immer Erkenntnis der Erscheinungen, nie der Dinge an sich sein kann, dass wir aber die Dinge an sich gleichwohl annehmen müssen und auch die transzendenten Ideen als Grenzen der Vernunft benötigen, da wir ja durch die Unmöglichkeit der Erkenntnis von Noumena zwar eine Schranke, aber keine Grenze (keinen Rand) erhalten haben, den wir einzig in den Ideen finden. Er erläutert das am Gottesbegriff, wo er Hume zwar dabei zustimmt, dass die Eigenschaften des theistischen Gottes (insbesondere der Anthropomorphismus) keine Eigenschaften eines höchsten Wesens an sich sind, aber doch zumindest Eigenschaften der Sprache darüber (hier wohl der Erscheinung entsprechend) sein müssen, und wir aus praktischen Gründen, eben weil wir Teil einer Welt ist, die wie ein Werkergebnis aussieht, dieses höchste Wesen zumindest hypothetisch annehmen müssen.

Ich stimme Kant durchaus dabei zu, dass wir transzendente Begriffe als Grenzziehungen der Vernunft brauchen, und auch darin, dass Dinge an sich als wirklich existierend angenommen werden müssen, aber das hier nicht aus der Tatsache der Erscheinung (jene könnte auch erträumt oder herbeifantasiert sein), sondern aus der Tatsache der gemeinsamen Übereinkunft über das, was erscheint (d.i. dass wir zwar verschieden, nicht aber verschiedenes sehen), so dass hinter unseren jeweiligen Anschauungsvermögen doch eine gewissermaßen gleiche, äußere Sache da sein muss, die aus meiner Sicht aber auch nur in eben dieser Übereinkunft erkennbar ist und sich nie je anders wird zeigen können.

Bei seiner Argumentation für den Anthropomorphismus kann ich ihm nicht zustimmen. Zum einen finde ich nicht, dass ich Teil der Welt bin, eben da das Selbst an sich ja schon ein transzendenter Begriff ist, sodass das höchste Dasein in der Essenz der Existenz selbst schon in mir selbst als real angenommen werden muss, nicht bloß in irgendeinem Gott; für mich ist Göttlichkeit darum keine Anthrophomorphie, sondern vielmehr Apotheose des Selbst und des Anderen, indem im Dasein überhaupt (und inbesondere in dessen Unverständlichkeit sich selbst gegenüber) allein das Wesen des göttlichen gesucht werden muss, insofern Gott zu sein ganz wesentlich heißt, da zu sein, einsam zu sein, zu schmerzen, darin niedlich zu sein, kurz: Kuscheltier zu sein. Hierzu aber werde ich anderorts noch genug schreiben, und da es Kants Konzept auch nicht im Kern betrifft (insofern diese religiöse Vorstellung dermaßen gewöhnlich ist, dass man sie wohl kaum kantianisch nennen kann), werde ich sie hier auch nicht eingehender behandeln.

zu §58

Kant meint hier, dass man das Verhältnis von Gott und Welt als ein Verhältnis von Vernunft und Handlung denken kann (und somit Theist sein kann), ohne einzuräumen, dass diese Vernunft eine wirkliche Eigenschaft Gottes an sich sein müsse, sondern nur darin, dass sie eine Eigenschaft Gottes zur Welt und somit für uns sei. Ich denke, dass dies zwar freilich möglich ist, aber damit nur das Problem der Möglichkeit einer Annahme eines solchen Gottes und keineswegs dessen Wünschbarkeit (die von ihm schlicht vorausgesetzt wird) in irgendeiner Form je könne gelöst werden. Zwar ist das ein Mittelweg von Skeptizismus und Dogmatismus, aber ob das ein wünschbarer Weg ist doch höchst fraglich (insofern hier jegliches echte Wissen über diesen Gott an sich geleugnet wird, und doch vorausgesetzt wird, dass man ihn als Gott und nicht als kosmologische Idee (d.i. Gottes Erscheinung in der Welt, als Folge und nicht als Ursache) verehre).

zu §59

Kant behauptet hier, Vernunft erkenne durch die Beziehung der Erscheinungen auf die Dinge an sich jene Grenze, innerhalb derer wir allein Erfahrung und Handlung wirklich erkennen können, und nennt hier die natürliche Theologie als eine solche Begrenzung. Insofern hier wirklich nichts neues steht, habe ich auch nichts weiter dazu zu sagen.

zu §60

In jenem letzten Absatze beschäftigt sich Kant nun noch mit der Frage, welchen Nutzen eine solche Metaphysik habe, wenn sie doch schädlich ist (in den Antinomien) und dem Denken an sich nichts hinzufügt, was nicht schon in den Verstandesbegriffen vorhanden war. Für ihn hat die Untersuchung der Vernunft (im Unterschied zur Untersuchung des Verstandes) keine positive, wohl aber eine negative Bedeutung, indem nämlich drei schädliche Irrlehren abgehalten werden:

  1. Materialismus: Unser Denken (die Seele) ist selbst materiell
  2. Naturalismus: Die Natur ist sich selbst genug
  3. Fatalismus: Es gibt nur blinde Naturnotwendigkeit

Alle drei Lehren schädigen also die moralische Urteilskraft, indem sie uns die Freiheit nehmen. Hier mag ich Kant wohl zustimmen, wenn man denn jene Lehren in der Tat so versteht, dass sie gegen alle Freiheit des Willens gerichtet sind; ich glaube aber, dass Kants Lösung hier nicht deutlich besser ist, so dass das Problem letztlich offen bleibt, wie ich jetzt (also insbesondere auch zeitlich) frei sein kann.

Ebenso sehe ich es bei seiner Anmerkung, dass Vernunft vielleicht sogar konstitutiv für die Erfahrung ist, insofern man die Vollständigkeit der Erfahrung auf gewisse Art vielleicht sogar voraussetzen muss, um überhaupt etwas erfahren zu können. Ich kann das wohl bei der Frage der Begriffsbildung verstehen, bei der Frage nach Sinnlichkeit, Intuitionen etc. aber nicht. Dazu sind aber auch die Anmerkungen hier allzu wage, als dass man weiteres dazu hätte sagen können.

Zur Auflösung der allgemeinen Frage der Prolegomenen:

Wie ist Metaphysik als Wissenschaft möglich?

Kants Ausführungen sind hier rein methodisch und richten sich besonders gegen die alte Metaphysik, die nur behauptet, aber nichts wahrlich bewiesen hat. Darin hat es Kant ihr in diesem Text ihr freilich auf gewisse Art gleich getan, so dass wohl einzig in seiner Kritik sich die Beweise werden finden können, die zur Untersuchung des Systems die bedeutendsten sind. Seine methodische Forderung, auf den Verweis auf gesunden Menschenverstand und reine Mathematik in der Metaphysik zu verzichten und sie als zu lösendes Problem, nicht als zu ratendes Glücksspiel zu begreifen, kann ich gleichwohl völlig unterstützen, weil es eben nur solche Kritik ist, die uns überhaupt in den Stand versetzt, wahre Philosophie betreiben zu können.

zum Anhang

Zum Anhang, der eine Kritik der göttinger Rezension enthält, habe ich hier keinen weiteren Kommentar abzuliefern, als sie eigentlich keinen wesentlichen Inhalt, sondern eher die Forderung zum gründlicherem Lesen enthält.